Heimat gibt es nur mit den „Anderen“…

Manchmal packt mich eine Art Heimweh. Dann fahre ich mit dem Fahrrad von Düren nach Gey. Und immer, wenn ich das alte Forsthaus hinter mir lasse und die Konturen der Häuser meiner alten Heimat sehe, stellt sich ein wohliges Gefühl ein. Kindheitserinnerungen. Im Alter von fünf Jahren habe ich Gey verlassen müssen, weil meine Eltern glaubten, dass ihre Kinder in der Stadt bessere Bildungschancen vorfinden würden. Seit 49 Jahren ist nun Düren meine Heimat. Hier sind unsere Kinder geboren. Ich bin gerne Dürener und freue mich jeden Freitag, wenn es von Berlin wieder „nach Hause“ geht.

Gey ist meine erste Heimat. Düren ist meine heutige Heimat. Die Sozialdemokratie ist meine politische Heimat. Und wenn ich in Thüringen dienstliche Termine habe, versuche ich immer in Kölleda zu übernachten, der Heimat meiner Mutter, wo heute noch ein Teil meiner Familie lebt. Als Außenpolitiker fühle ich mich fast überall auf der Welt wohl, weil es überall einfach großartige Menschen gibt, deren Freund ich mittlerweile sein darf. Als Weltbürger sehe ich Europa als meine gesellschaftspolitische Heimat, denn nirgendwo sehe ich mehr demokratische Freiheiten und Chancen für Fortschritte in der sozialen Frage. Und als Christ glaube ich daran, dass Gott nicht nur Christen, sondern alle Menschen dieser Erde bedingungslos liebt.

Was ist also meine Heimat? Gey? Düren? Die SPD? Meine Familie? Europa? Das Evangelium?

Sicherlich ist meine Familie das Zentrum meiner Heimat. Aber überall in der Welt, wo meine Freunde leben, ist auch ein kleines Puzzlestück meiner eigenen Heimat. Heimat ist Gemeinschaft, aber eben immer auch eine sehr individuelle Sache.
Keine Heimat zu haben, widerspricht dem Menschsein als sozialem Wesen. Deshalb sollten diejenigen, die ihre Heimat verlieren oder verlassen müssen, immer auf unsere Solidarität zählen dürfen. Wir erinnern uns an das Flüchtlingskind in der Krippe…

Wenn mein Heimatland Deutschland im Wettstreit um die Dominanz Chinas oder des Trump-Amerikas nicht untergehen will, braucht es eine starke Europäische Union. Sonst gibt es ihn irgendwann nicht mehr: Unseren deutschen, bzw. europäischen „Way of Life“. Weil ich aber meine Heimat, mein Gey, mein Düren, mein Deutschland, mein Europa nicht verlieren will, brauche ich Freunde und Partner, deren Heimat nicht die meinige ist. Heimat gibt es nicht mit „America first“ und schon gar nicht mit Deutschland zuerst. Heimat gibt es immer nur mit den „Anderen“ und nicht gegen sie…