Berliner Gespräche. Politiker über Glauben, Werte und Verantwortung

Dieser Text ist in folgendem Buch erschienen:

Martin Knispel, Norbert Schäfer (Hrsg.): Berliner Gespräche. Politiker über Glauben, Werte und Verantwortung.

Verlag der Francke-Buchhandlung GmbH, Marburg 2017

ISBN: 978-3-86827-633-6

 

Dietmar Nietan

Dietmar Nietan, geboren 1964 in Düren, hat Biologie und Sozialwissenschaften studiert (ohne Abschluss). Während seines Studiums arbeitete er als Pflegediensthelfer, später dann in einem Büromaschinenbetrieb. Bereits im Alter von 16 Jahren trat er in die SPD ein. Der Vater von zwei Kindern ist seit 1998 mit Unterbrechungen Abgeordneter des Bundestags. Neben seinem Arbeitsschwerpunkt Außen- und Europapolitik kümmert er sich seit 2014 als Bundesschatzmeister um die Finanzen der SPD. Damit ist Nietan an der Spitze der Bundespolitik seiner Partei angekommen und arbeitet dort eng mit dem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel zusammen.

 

Das Gespräch

Dietmar Nietan ist ein engagierter Abgeordneter. In seinem Wahlkreis Düren bietet er Hausbesuche an unter dem Motto: »Sie machen den Kaffee, ich bringe den Kuchen mit.« So kommt es zu illustren politischen Kaffeekränzchen mit jungen Leuten, Familien und Senioren. Nietan gehört im Parlament zu den erfahrenen Abgeordneten und es geht ihm wie vielen anderen auch: Neben dem Engagement im Wahlkreis kommt das Mandat als Bundestagsabgeordneter, dann der Einsatz für die Partei, zudem die Mitgliedschaft in rund einem Dutzend Vereinen und Verbänden. Wer gewählt werden will, muss präsent sein und mitmachen.

In der Sitzungswoche des Parlaments hat Nietan einen Termin fest im Kalender stehen – der Freitagmorgen ist gesetzt. Denn dann treffen sich rund 30 Abgeordnete aller Fraktionen zum Gebetsfrühstück. Ein Bibelvers wird gelesen, eine Person legt ihn aus, man tauscht sich aus und frühstückt nebenher, denn die Zeit ist knapp. Zum Schluss wird gebetet. Dann geht es für die Abgeordneten direkt ins Parlament. Oder noch kurz zu einem Gespräch …

 

Auf die Frage, wie er denn die Einführung ins Grundgesetz, die Präambel von der »Verantwortung vor Gott und den Menschen«, beurteilt, holt Nietan aus.

Er könne sich sehr gut vorstellen, dass sich auch Mitglieder des Parlamentarischen Rates, die sich seines Wissens selbst weniger oder gar nicht als gläubige Christen verstehen, durchaus mit dem Verweis auf die Verantwortung vor Gott in der Präambel des Grundgesetzes einverstanden erklären könnten. »Denn die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes bezogen sich mit diesem Gottesbezug ja auf eine Verantwortung, die über die von Menschen geschaffenen Kategorien wie Falsch und Richtig oder Gut und Böse hinausweist.«

Dieser Hinweis auf die »letzten Dinge« – also auf etwas, das sich dem Zugriff menschlicher Macht entzieht – deutet an, dass das deutsche Volk seine Lehren aus der Unterwerfung unter einen einzigen Menschen, den »Führer« Adolf Hitler und dessen faschistischen Größenwahn, ziehen wolle.

»Man muss also nicht unbedingt an Gott glauben, um in den ersten Zeilen der Präambel jene Demut zu erkennen, die uns immer wieder Einkehr, Selbstbefragung und Hochachtung vor dem Leben ermöglicht. Vielleicht ist ja ein eklatanter Mangel an Demut eine der entscheidenden Ursachen dafür, dass in unserer Welt Menschen so viel Leid über andere Menschen bringen?«

Als Vorsitzender der Stiftung für die internationale Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz übernahm Nietan eine große, aber auch heikle Aufgabe. Aber Verantwortung zu übernehmen ist »sein Ding«. Wie es dazu kam, erzählt er anhand einer eindrücklichen Begegnung in Israel.

Im Jahr 1999 hatte der damals recht junge Bundestagsabgeordnete mit einer Delegation von SPD und Grünen in der israelischen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem ein Gespräch mit dem großen Yehuda Bauer, einem der bedeutendsten jüdischen Historiker. »Ich werde diese bewegende Zusammenkunft, seine unmittelbar spürbare Menschenfreundlichkeit und seinen herausragenden Intellekt niemals vergessen. Er gab uns damals folgende eindringlichen Worte mit auf den Weg: ›Tun Sie mir bitte einen großen Gefallen: Fühlen Sie sich niemals schuldig für die Shoa! (Anmerkung des Autors: Vernichtung der Juden). Sie waren damals noch nicht geboren. Sie tragen keinerlei Schuld. Aber als Deutsche tragen Sie eine besondere Verantwortung dafür, dass das, was war, niemals vergessen wird, damit sich so etwas nie mehr wiederholen kann!‹«

Darum ginge es heute bei seinem Engagement gegen das Vergessen und Verdrängen von Menschheitsverbrechen wie dem Holocaust oder dem Genozid an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten im damaligen Osmanischen Reich. Es sei immer die Verantwortung gegenüber den Opfern. Nietan zitiert den Auschwitzüberlebenden Elie Wiesel, der den Abgeordneten des Deutschen Bundestags Folgendes ins Stammbuch geschrieben hat: »Wer sich dazu herbeilässt, die Erinnerung an die Opfer zu verdunkeln, der tötet sie ein zweites Mal.«

Als christlich geprägtem Abgeordneten sind Nietan eindeutige Werte wichtig. Die demografische Entwicklung, die Zuwanderung, die Osterweiterung von NATO und EU, die digitale Revolution, der Klimawandel stellen jeden Abgeordneten immer wieder vor die Herausforderung, in der jeweiligen Situation tragfähige und auch konsensfähige Entscheidungen zu treffen. Braucht man da nicht ein Wertegerüst, auf das man sich beziehen kann, fragen wir ihn.

Nietan ist sich nicht sicher, ob der Begriff vom »Wertegerüst« hilfreich dabei ist. Ein Gerüst sei doch sehr starr und gesellschaftliche Normen, Traditionen, Rollenerwartungen und auch eigene Erfahrungen, die Lebensumstände und noch vieles mehr beeinflussten die Wertewelt jedes einzelnen Menschen mehr, als der es wahrhaben möchte. Es sei normal, dass Werte sich entwickeln und im Laufe der Zeit auch ändern. Deshalb sehe er auch nicht »das eine Wertegerüst«, mit dessen Hilfe sich die vor uns liegenden Herausforderungen am besten meistern lassen.

Nietan redet deshalb lieber vom Menschenbild. »Sehe ich jeden Menschen – auch denjenigen, den ich für eine Gefahr für die Menschheit ansehe – als einen Mitmenschen, der mit unveräußerlichen Rechten und mit einer unantastbaren Würde ausgestattet ist? Nehme ich die Würde eines Menschen zum Maß aller Dinge, oder schaue ich eher auf Ordnungen, Regeln und konformes Verhalten?«

Hier spiele auch die Frage der Barmherzigkeit eine entscheidende Rolle. »Jeder Mensch macht sich durch falsches oder unterlassenes Handeln immer wieder schuldig. Nobody is perfect! Machen wir uns das immer wieder klar, oder ertappen wir uns nicht vielmehr oft dabei, gnadenlos in unserem Urteil über den anderen zu sein?«

Nietan möchte dabei nicht missverstanden werden. Menschliches Zusammenleben brauche natürlich Regeln. Es müsse schon die Stärke des Rechts und nicht etwa das Recht des Stärkeren gelten. Und selbstverständlich müsse am Ende jeder Mensch für sein Handeln selbst die Verantwortung übernehmen. Und doch dürften wir uns nicht mit dem Hinweis auf Regeln und Gesetze vor unserer Verantwortung für einen menschlichen Umgang mit dem Nächsten drücken. »Wenn wir den Menschen Hoffnung geben wollen, muss sich ein solches Menschenbild in der Politik wiederfinden. In einer Politik des UND.«

Am Beispiel Griechenlands und seiner Schulden führt er das aus: Selbstverständlich müsse Griechenland sparen. Und es waren natürlich auch Entlassungen im öffentlichen Sektor unausweichlich. Aber warum musste die Troika mehr Wert auf die Absenkung des Mindestlohns legen, als schnell darauf zu drängen, dass die reichen Griechen endlich ihre Steuern zahlen? Warum gab es nicht eine konsequente Reformpolitik UND mehr Anstrengungen der EU, massiv gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland vorzugehen oder etwa in der Frage der medizinischen Versorgung der Armen mehr zu helfen? Die Menschen in Griechenland wussten doch schon lange, dass sich die Dinge dort grundlegend würden ändern und wohl jeder würde Opfer bringen müssen. Sie hatten aber zu Recht den Eindruck, dass bei der »Rettung« der griechischen Finanzen eine »kalte« Ordnungspolitik über einen harten, aber mit menschlichem Antlitz versehenen Reformkurs gesiegt hat. »Das mag die richtige Politik nach dem Ökonomie-Lehrbuch gewesen sein, aber das war keine menschliche Politik.« Für ihn stehe deshalb eines fest:

Wir brauchen eine Politik des UND: notwendige Reformen UND eine soziale Begleitung dieser Reformen. Eine Politik für bessere Rahmenbedingungen für Unternehmensinvestitionen UND eine Stärkung von Arbeitnehmerrechten. Eine solche »unideologische« am Gemeinwohl und der Menschenwürde orientierte Politik wäre für ihn am ehesten ein brauchbarer Kompass für die vor uns liegenden Herausforderungen.

Spätestens bei diesen Sätzen spürt man nicht nur das soziale Gewissen von Nietan, sondern das der Sozialdemokratie.

Es muss gerecht sein, fair bleiben und der kleine Mann und die Frau müssen im Blick behalten werden. »Politik für alle«, fordert der Mann aus dem rheinischen Revier. Apropos Revier: Im Wahlkreis Düren spiele der Braunkohlentagebau immer noch eine wichtige Rolle. Die Erkenntnis, dass weltweit alle Ressourcen begrenzt seien, setze sich aber auch dort mehr und mehr durch. Klimaschutz und Nachhaltigkeit würden immer wichtiger, die Erderwärmung sei schließlich in aller Munde.

Für Nietan ist Nachhaltigkeit begrifflich eindeutig zugeordnet. Es geht nicht nur um Natur, sondern auch um die Bewahrung der Schöpfung Gottes. Gerade die Bewahrung der Schöpfung sei heute »leider« zu einer der drängendsten Aufgaben geworden. Es gehe dabei nicht nur um die Ausbeutung der Natur, die Verhinderung einer Klimakatastrophe oder den Naturschutz. Es gehe vielmehr darum, dass wir alle, die wir in den Industriestaaten leben, unsere bisherigen Produktionsweisen und unsere Konsumfixierung grundlegend überdenken und verändern. Dies müsse aber auch bedeuten, allen Menschen auf der Welt bessere Lebensbedingungen zu ermöglichen. Dazu müssten die reichen ehemaligen Kolonialmächte mit den von ihnen oft jahrhundertelang ausgebeuteten ehemaligen Kolonien fair umgehen. »Und vor allen Dingen sollten wir uns eine arrogante Überheblichkeit verbieten«, dass nun auch noch jedermann zu vermitteln sei, am deutschen ökologischen Gewissen habe die ganze Welt zu genesen. Wahrlich ein Spagat …

Diese Herausforderungen seien nicht im Alleingang zu lösen. Wir bräuchten vielmehr weltweite Lösungen für weltweite ökologische Probleme. »Das erfordert Einfühlungsvermögen in die Probleme und Mentalität  anderer Länder und nicht missionarischen Eifer.« Und bei den Energiedebatten in Deutschland dürfe man auch ruhig einmal daran erinnern, dass es in einem Land, welches nicht einmal drei Prozent zum weltweiten CO2-Ausstoß beiträgt, nicht die alles entscheidende Frage ist, ob wir das letzte Kohlekraftwerk fünf Jahre früher oder später ausschalten. »100 Prozent erneuerbare Energien müssen in Deutschland kommen! Aber dieses Ziel sollte in einer konsensorientierten Weise verfolgt werden, sodass der Industriestandort Deutschland dabei nicht vor die Wand gefahren wird.«

Spätestens an dieser Stelle spürt man wieder deutlich das politische Dilemma, in dem alle Abgeordneten stecken. Unterschiedliche Interessen müssen unter einen Hut gebracht werden, Parteipolitik und regionale Interessen spielen dabei eine Rolle, aber auch globale, ethische und persönliche Sichtweisen. Konsens ist nicht gerade spannend, aber eben das Bohren dicker Bretter.

Wir wechseln das Thema und wenden uns der Frage unterschiedlicher Religionen in unserer Gesellschaft zu. Wie soll das gehen? Kann das gelingen? Ist das nicht naiv?

Nietan erinnert in diesem Zusammenhang an sein Vorbild Johannes Rau, den längjährigen Landesvorsitzenden der SPD Nordrhein-Westfalen. Der habe als Bundespräsident im Jahr 2004 anlässlich des 275. Geburtstags von Gotthold Ephraim Lessing zum Festakt eine großartige Rede gehalten. Johannes Rau sagte damals unter anderem: »Es geht um die Frage: Wie können Menschen miteinander leben, die ganz unterschiedliche Dinge für wahr und für richtig halten und auch manches tun, was die jeweils anderen unbegreiflich finden?« Und weiter: »Toleranz ist nicht Beliebigkeit. Toleranz und Respekt bedeuten ja gerade, dass man die Existenzberechtigung anderer Überzeugungen und Glaubenswahrheiten akzeptiert, die man nicht für richtig hält.«

Toleranz und Respekt sind für Nietan der entscheidende Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben verschiedener Religionen. Dies gelte natürlich auch für das Miteinander von religiösen und nicht religiösen Menschen. Es gehe hier um das Schmieden von Bändern des Vertrauens zwischen den »vernünftigen« Kräften innerhalb und außerhalb der Religionsgemeinschaften. Aber Johannes Rau habe schon recht gehabt: »Toleranz ist gerade nicht Beliebigkeit oder gar Relativismus!«

Zusammenleben heiße schließlich nicht, die eigene religiöse Identität abzuschwächen oder im öffentlichen Raum zu verbergen, weil es anderen Glaubensgemeinschaften oder Laizisten nicht gefalle. Es könne auch nicht darum gehen, um des lieben Friedens willen beispielsweise die Augen vor Entwicklungen innerhalb bestimmter muslimischer Gemeinschaften zu verschließen, die unsere freie, plurale und offene Gesellschaft ablehnen! Allerdings müsse genauso klar jeder Verallgemeinerung oder pauschalen Diskreditierung einer Religion, wie sie z. B. von der AfD gegenüber dem Islam und den Muslimen betrieben würde, entgegengetreten werden.

Dann wird Nietan sehr direkt: »Gerade weil ich ein glaubender Mensch, ein Christ bin, gilt für mich uneingeschränkt: Der Garant einer offenen Gesellschaft kann nur ein säkularer Staat sein. Unser Staat ist kein christlicher Staat und das darf er genauso wenig werden wie ein Staat, der mit Verweis auf die Religionsfreiheit nicht entschieden gegen Kräfte vorgeht, die sich gegen unsere offene Gesellschaft stellen. Die Grundlage für das Zusammenleben in unserem demokratischen Staatswesen kann nur das Grundgesetz und nicht etwa Thora, Bibel oder Koran sein!«

Auf die Frage, welche Rolle der christliche Glaube in seinem Leben spiele, antwortet er:

»Als Christ kann ich mich jeden Tag immer wieder aufs Neue über die ausschließlich glaubbare Frohe Botschaft freuen, dass mich nichts aus der mir bedingungslos geschenkten Liebe Gottes he-
rausreißen kann. Dies gibt mir die Kraft, jeden Tag neu damit zu beginnen, meine Angst um mich selbst zu überwinden, um das Notwendige für meine Nächsten und nicht für mich zu tun.

Sie können mir glauben, dass ich – trotz meines Glaubens an diese befreiende Botschaft – immer wieder in die Knechtschaft meiner (letztlich unbegründeten) Angst um mich selbst zurückfalle, indem ich nicht das Notwendige tue. Mein Glauben gibt mir aber jeden Tag die Kraft, es immer wieder neu zu versuchen. Diese ›Freiheit des Christenmenschen, jedermanns Knecht zu sein‹ kann ich mir zurückerobern. Nicht immer – aber vielleicht immer öfter …«

Zum Schluss fassen wir noch ein heißes Eisen an, das Nietan besonders unter den Nägeln brennt. Sein Engagement in der Stiftung Lebenshilfe, die sich in besonderer Weise um Menschen mit Behinderungen kümmert.

Dazu muss man wissen: Moderne gentechnische Verfahren (CRISP/Cas-9) ermöglichen bereits präzise Manipulationen am Erbgut, auch beim Menschen. Gentechnik gilt als Schlüsseltechnologie nicht nur bei der Bekämpfung von Krankheiten und dem weltweiten Hunger, sondern auch beim Klimaschutz, und wird die Welt nachhaltig verändern. Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber riet, aus ethischen Gründen auf Eingriffe in die menschliche Keimbahn zu verzichten.

Wir wollen wissen, wo für ihn die Grenzen der Biomedizin liegen, auch unter dem Gesichtspunkt, dass schwere Krankheiten durch Eingriffe in die menschliche Keimbahn abgewendet werden könnten. Sollen wir an menschlichen Embryonen forschen dürfen?

Zunächst einmal sieht Nietan den medizinischen Fortschritt als großen Segen für uns alle. Aber auch hier gelte, dass dieser Fortschritt die Würde jedes einzelnen Menschen als Maßstab haben müsse. Es gehe nicht darum, den »Kampf gegen den Tod« ohne Rücksicht möglichst immer zu gewinnen, sondern die Würde des Menschen zu schützen. »Es geht um Heilung, Schmerzlinderung, Lebensqualität gerade auch für Sterbende.« Und wieder schließe sich hier der Kreis: »Es geht immer auch um das Menschenbild. Natürlich spürt ein embryonaler Zellhaufen noch keine Schmerzen oder Angst.« Trotzdem lehnt Nietan es ab, medizinischen Fortschritt auf embryonalen Stammzellen zu begründen. Wer diese Büchse der Pandora öffnet, der lande – sicherlich nicht sofort, aber über Umwege und Verzögerungen – beim Klonen und Zeugen von Menschen als Ersatzteillager oder »therapeutische Vehikel«. Das wolle er auf keinen Fall.

Und er verweist zum Schluss auf eine Diskussion im Bundestag über die Forschung an embryonalen Stammzellen, bei der es aufseiten der Befürworter hieß, dass manche medizinischen Fortschritte nur mit embryonalen und nicht mit adulten Stammzellen möglich seien. Heute, also einige Jahre später, könne man bereits auf große Fortschritte bei der Erforschung adulter (nicht embryonaler) Stammzellen zurückblicken. Ein medizinischer Fortschritt sei also möglich, ohne dass man sich dafür ethisch kompromittieren müsse.

Der »Genosse« Dietmar Nietan wird sich auch weiter für seine Partei und den Wahlkreis engagieren, so viel ist deutlich geworden. Hier spricht ein Überzeugungstäter. Aber er teilt seinen Wahlkreis Düren auch mit seinem Konkurrenten Thomas Rachel von der CDU. Der führe momentan mit 3:2 im Kampf um das Direktmandat. Streit zwischen diesen beiden engagierten Protestanten sei allerdings nicht zu vermuten. Und wenn es doch mal knirscht, hat Nietan schon eine Idee. Es gibt ein Kaffeekränzchen unter Politikern: Der eine kocht Kaffee, der andere bringt Kuchen mit.