„Das Kainsmal eines Regimes“

„Diese mörderische Grenze mitten durch Berlin und mitten durch Deutschland war das Kainsmal eines Regimes, das Machterhalt und Ideologie über Menschenrecht und Menschenwürde gestellt hat.“

Bundespräsident Johannes Rau zum Jahrestag des Mauerbaus, 2001

 


 

Als ich am Abend des 9. November 1989 von der Uni in meine Kölner Studentenbude kam und den Fernseher anschaltete, wollte ich nicht glauben, was ich da sehen und hören konnte: Die Mauer war auf! Ich konnte meine Freudentränen nicht zurückhalten. . Meine halbe Familie lebte in der DDR. Die Mauer hatte auch uns geteilt. Die Besuche bei meiner Familie wurden stets von dem beklemmenden Gefühl überschattet, dass die Menschen in der DDR nicht frei, sondern eingesperrt waren.

Am 13. August 1961 begann die unmenschliche „Abriegelung“ der Sektorengrenze zwischen Ostund Westberlin. Dieser Tag markierte einen tiefen Einschnitt in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die darauf folgende Errichtung der Berliner Mauer zementierte im wahrsten Sinne des Wortes die deutsche Teilung und wurde über Deutschland hinaus zum Sinnbild der jahrzehntelangen Spaltung Europas.

Für die DDR-Führung war die Grenze ein „antifaschistischer Schutzwall“, für die Bürgerinnen und Bürger Ostberlins wurde sie zu einer Gefängnismauer. Hunderte nutzten am 13. August 1961 noch die letzten Schlupflöcher zur Flucht in den Westteil der Stadt. Dass dies zuvor schon rund 3 Millionen DDR-Bürgerinnen und –Bürger aus politischen Gründen, aus Frustration über die Verhältnisse, in der Hoffnung auf Freiheit, bessere Lebensumstände oder Zukunftsperspektiven getan hatten, war der triftigste Grund für die Schließung der Grenze. Die Berlin-Krise hatte 1960/61 die Fluchtbewegungen noch einmal verschärft, das DDR-Regime spürte zusehends die negativen Auswirkungen des Bevölkerungsverlustes. „In Wahrheit hat das kommunistische Regime in den letzten 48 Stunden das Eingeständnis dafür geliefert, daß es selbst Schuld ist an der Flucht von Deutschen nach Deutschland“, so brachte es der damalige Bürgermeister von Westberlin, Willy Brandt, am Tag der Grenzschließung auf den Punkt. Grenzschließung und Mauerbau führten zu zahllosen menschlichen Tragödien. Familien, Paare und Freundeskreise wurden auseinandergerissen. Berufspendler konnten ihre Arbeitsstätten nicht mehr aufsuchen.

Nach und nach wurde das anfängliche Provisorium aus Stacheldraht zu einer Hochsicherheitsgrenze ausgebaut mit Todesstreifen, Signalzäunen, Hunden und Wachsoldaten mit Schießbefehl. An der innerdeutschen Grenze starben Schätzungen zu Folge ca. 900 Menschen, davon an der Berliner Mauer bis zu ihrem Fall am 9.November 1989 mindestens 136 zumeist sehr junge Menschen. An der Mauer zeigte sich, so Willy Brandt, „die kalte, die nackte, die brutale Wirklichkeit eines Systems (…) das den Menschen das Paradies auf Erden versprochen hat“.

Der Fall der Berliner Mauer am 9.11.1989, der durch die friedlichen Revolutionen in Mittel- und Osteuropa und den entschlossenen Mut der Bürgerinnen und Bürger in der DDR möglich wurde, ist einer der glücklichsten Momente der jüngeren deutschen und europäischen Geschichte. In Deutschland haben wir am eigenen Leibe erfahren, was Teilung und geschlossene Grenzen bedeuten. Auch deshalb ist es unsere beständige Verpflichtung, für ein offenes und vereintes Europa zu streiten.

Ein Beitrag von DIETMAR NIETAN zum 55. Jahrestages des Mauerbaus auf der Internetseite der Landesgruppe der NRWSPD Bundestagsabgeordneten. 

 


Den Text zum Download als PDF gibt es hier.

Das Original ist zuerst auf der Seite der NRW-Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion erschienen.