
Im Juni habe ich mich sehr über ein Interview gefreut, welches Vanessa Heinemann aus dem Kreis Düren mit mir geführt hat. Sie hatte mich im Rahmen eines Praktikums, welches sie bei der Bundestagsverwaltung in Berlin absolviert hat, interviewt.
Zu vielen verschiedenen Themen bin ich von ihr befragt worden: Wann habe ich angefangen Politik zu machen? Warum ist die SPD meine politische Heimat? Wie stehe ich zur gleichgeschlechtlichen Ehe, dem Einheitsabitur oder der Ukraine-Krise? Ich hoffe, ich habe ein wenig Interesse für ein politisches Engagement wecken können.
Bei Vanessa Heinemann möchte ich mich ganz herzlich für das engagierte Interview bedanken. Mir hat es jedenfalls großen Spaß gemacht!
Das Interview in einer gekürzten Version gibt es hier:
Gespräch mit meinem Wahlkreisabgeordneten Dietmar Nietan am Dienstag, den 16. Juni 2015
von Vanessa Heinemann
Wann haben Sie angefangen sich für Politik zu interessieren und wie kam es dazu?
Für Politik habe ich mich schon immer interessiert, aber ich kann jetzt kein genaues Alter nennen. Mit 16 Jahren bin ich in die SPD eingetreten. Über die SPD bin ich zur Politik gekommen. Seinerzeit habe ich Schülervertretungsarbeit ausgeübt; von der 5. bis zur 10.Klasse war ich Klassensprecher und dann später auf dem Gymnasium auch Schülersprecher. So habe ich gelernt, wenn man etwas verändern will, braucht man viele, die dieses mit unterstützen und man muss für Mehrheiten kämpfen. Weil ich nicht nur was in der Schule, sondern auch etwas in der Gesellschaft verändern wollte, bin ich zur Politik gekommen.
Warum, inhaltlich betrachtet, ist die SPD Ihre politische Heimat geworden?
[…] Für mich war immer klar, wenn ich in eine Partei gehen sollte, dann in eine fortschrittliche Partei und eine, die sich nicht mit den bestehenden Verhältnissen abfindet, sondern sie verändern will. Nicht zuletzt aus diesen Gründen habe ich mich dann für die SPD entschieden. Die Frage der sozialen Gerechtigkeit war ein ganz entscheidender Punkt dabei. Ich konnte es nicht leiden, wenn ich das Gefühl hatte, dass an der Schule irgendetwas ungerecht ablief. Die SPD, als älteste Partei Deutschlands, die aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen ist, hat mich da fasziniert. Und obwohl ich mich jeden Tag über das eine oder andere in meiner Partei ärgere, habe ich alles in allem bis heute nichts bereut.
Welches Anliegen Ihrer Partei ist für Sie das wichtigste?
Das ist sehr schwer zu sagen, denn die Gesellschaft ist so kompliziert geworden und alles ist sehr stark miteinander verbunden, so dass man sich nicht „nur“ für ein Thema entscheiden kann. Ich möchte allerdings eine Gesellschaft, die jedem Menschen eine faire Chance gibt, etwas aus seinem Leben zu machen. Die Frage wie groß diese Chance ist sollte auch nicht durch das Einkommen der Eltern oder deren Bildung vorbestimmt werden. Ich möchte Chancengerechtigkeit. Dies beinhaltet beispielsweise ein gerechtes Schulsystem, Krankenkassensystem oder Steuersystem. Für mich ist klar, dass die Starken mehr auf ihren Schultern tragen können als die Schwachen. Deshalb bin ich auch dafür, dass Menschen die sehr viel Geld verdienen, ein wenig mehr Steuern zahlen, oder dass Gebühren für Kindergärten und das Studium abgeschafft werden, damit es die vorher erwähnte Chancengerechtigkeit wirklich gibt. […]
Wenn Sie nicht als Abgeordneter im Bundestag tätig wären, was würden Sie stattdessen tun?
Es gab drei Dinge von denen ich mir als junger Mann vorstellen konnte, dass ich sie gerne werden wollte. Ich wollte schon immer sehr gerne Lehrer, Arzt oder evangelischer Pfarrer werden. Wenn ich nicht im Bundestag tätig wäre, würde ich mich auf jeden Fall immer gesellschaftlich engagieren. Ich kann mir keine Arbeit vorstellen die nicht auch einen Teil Verantwortung in der Gesellschaft mit sich bringt. Etwas mit jungen Menschen oder für andere Menschen zu tun ist mir sehr wichtig.
Wie stellen Sie sich die Integration von Flüchtlingskindern in Zukunft vor?
Erstmal einmal fände ich es gut, wenn wir sagen könnten, dass die Integration von Flüchtlingen und hier insbesondere von Kindern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Man sollte also nicht sagen, dass die Politik irgendetwas machen muss. Sondern jeder einzelne selbst muss überlegen, wie man diesen Menschen helfen kann. Integration gelingt nämlich immer dann, wenn die gesamte Gesellschaft es als ihre Aufgabe ansieht und nicht sagt, dass zum Beispiel Politiker oder Sozialarbeiter für so etwas zuständig sind. Ich bin davon überzeugt, dass sich Menschen nur dann integrieren und beispielsweise die Sprache des Landes lernen, wenn sie merken, dass man sich um sie kümmert und sie willkommen sind. […]
Wie werden die nächsten Gesetzentwürfe für die Sie sich einsetzen aussehen?
Ich habe mit einigen Abgeordneten einen Antrag zu der Frage wie wir in Zukunft mit Sterbehilfe umgehen entwickelt. Für mich ist das ein wichtiges Thema. Wir werden eine ältere Gesellschaft; Menschen leben länger und kommen dadurch zwangsläufig an einen Punkt, an dem sie einen längeren Sterbeprozess haben. Die Frage ist also, was wir tun, damit sie bis zum Schluss ihre menschliche Würde bewahren und was tun wir, damit es nicht zu einer gesellschaftlichen Entwicklung kommt, in der man sich als alte, kranke Person rechtfertigen muss warum man noch nicht „abgetreten“ ist, sondern der Krankenkasse und der Gemeinschaft viel Geld für die Pflege kostet. Ansonsten liegt mir das Bundesteilhabegesetz am Herzen, an welchem momentan Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles arbeitet. Dieses Gesetz soll Menschen mit Behinderung die Teilnahme an der Gesellschaft ermöglichen. […]
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Das Buch, was ich zuletzt gelesen habe, war ein Buch mit einem der letzten Interviews, welches der große Komponist und Dirigent Leonard Bernstein gegeben hat („Kein Tag ohne Musik, von Jonathan Cott). Das war sehr schön, denn in diesem Buch ging es nicht nur, aber auch, um Politik, denn Leonard Bernstein war ein sehr politischer Mensch. Hauptsächlich ging es jedoch um Kunst, Kultur und darum Freundschaften zu pflegen. Manchmal vergisst man im Politikbetrieb nämlich, dass man neben der Arbeit auch noch eine Familie hat, Freundschaften pflegen muss und auch mal an sich selber denken soll. Dabei hat mir das Buch auch sehr gut geholfen.
Wie stehen Sie zu digitalen Medien wie Facebook oder Twitter? Wie beeinflussen sie die heutige Gesellschaft?
Es beeinflusst die Gesellschaft massiv; mehr als wir uns, weil wir uns bereits daran gewöhnt haben, vorstellen können. Dennoch verteufele ich es nicht, denn ich denke, dass diese neuen Technologien eine gute Chance sind und uns tolle Möglichkeiten bieten. Selber benutze ich natürlich das Internet zur Recherche, und ich habe selber als Abgeordneter eine Internetseite und Facebook-Seite. Auf Twitter bin ich aber nicht angemeldet. Politik wird immer komplizierter. Ich finde es immer sehr spannend, wie Menschen hochkomplexe Dinge in 140 Zeichen zwängen. Ich meine, dass man über manche Dinge einfach ernsthaft sprechen sollte anstatt „herum zu zwitschern“.
Wie stehen Sie zu einem Einheitsabitur in der Republik?
[…] Ich bin dafür, dass die Standards und die Notengebung vergleichbar werden, aber es sollte trotzdem noch eine gewisse Eigenständigkeit der Schulen und Bundesländer geben.
Was halten Sie von gleichgeschlechtlicher Ehe und wie gehen Sie damit um?
Ich finde, dass gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mittlerweile gesellschaftliche Realität sind. Wenn zwei Menschen sagen, dass sie sich lieben, dann sollte ich ihnen auch die Möglichkeit geben, eine Lebensgemeinschaft zu bilden, die der klassischen Ehe von Mann und Frau in allen Rechten und Pflichten gleich ist. […] Ich würde mir deshalb wünschen, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften der Ehe gleichgestellt werden. Was mir jedoch viel wichtiger ist, ist dass man den Blick weg von der Ehe und stattdessen auf die Kinder richtet. Ich würde zum Beispiel abschaffen, dass es einen Steuervorteil „nur“ dafür gibt, weil man verheiratet ist. Steuerliche Erleichterung und besondere Förderung vom Staat soll da stattfinden, wo auch Kinder sind. Aus was für einer Familie die Kinder kommen soll dabei keine Rolle spielen. […]
Wie stehen Sie zur Rente mit 67?
Vom Grundsatz her halte ich es für den richtigen Weg zu sagen, dass wir länger arbeiten müssen. Dennoch habe ich ein paar Kritikpunkte an der Rente mit 67. […] [Wir] […] wissen, dass die Rente keine Lebensversicherung ist wo man spart, sondern das die Leute die momentan arbeiten, für diejenigen zahlen, die jetzt ihre Rente bekommen. Da wir alle im Durchschnitt älter werden und länger gesund bleiben, macht es Sinn, dass diejenigen, die es können auch länger arbeiten. Allerdings wurde die Rente mit 67 einfach eingeführt, als bestimmte wichtige Rahmenbedingen dafür noch nicht erfüllt waren. Ich hätte es gut gefunden, wenn wir erst dafür gesorgt hätten, dass ältere Arbeitnehmer eine höhere Wertschätzung und eine höhere Beschäftigungsquote bekommen und wir Sicherheitsmaßnahmen für die Menschen gefunden hätten, die gerne bis 67 arbeiten würden, es aber nicht mehr können. Für diese Menschen hätten wir sicherstellen müssen, dass sie, falls sie nicht bis zum 67. Lebensjahr arbeiten können, trotzdem eine gute Rente bekommen. All diese Sicherheitsmaßnahmen, welche ich beschrieben habe, sind noch nicht fertiggestellt worden. Diese falche Reihenfolge bei der Einführung der Rente mit 67 halte ich für einen Fehler.
Wie stehen Sie zur Hilfe für Griechenland?
Ich stehe sehr positiv dazu, dass wir uns innerhalb der Europäischen Union gegenseitig helfen. Nach dem 2. Weltkrieg haben die Länder, die wir überfallen haben uns die Hand gereicht und gesagt, dass sie mit uns Freundschaft schließen. Die Amerikaner haben uns sogar Carepakete geschickt, damit unsere Familien und Kinder nach dem Krieg nicht verhungern. Dann hat man uns als Gründungsmitglied in die Europäische Union aufgenommen. […] Warum diese lange Vorrede? Die Griechen haben im vergangenen Jahrhundert nicht – wie wir Deutschen – diese Leid über Europa gebracht, Millionen von Menschen umgebracht und Kriege begonnen. Aber die Griechen haben bei der Frage des Eurobeitritts geschummelt. […] Wenn [die Griechen] […] die richtigen Zahlen vorgezeigt hätten, hätten sie dem Euro eigentlich nicht beitreten dürfen. Ich finde trotzdem, dass wir den Griechen helfen müssen, denn das griechische Volk konnte nichts dafür, dass es jahrelang von korrupten Politikern regiert worden ist. […] Grundsätzlich bin ich deshalb für Hilfen für Griechenland. Aber nicht um jeden Preis. […]
Denken Sie, dass wir für dieses Problem eine Lösung finden werden?
Ja, wir können eine Lösung finden. Aber es gibt keine einfache Lösung und es ist auch vieles falsch gemacht worden. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir zu sehr auf das Sparen geachtet haben, und zu wenig auf das Investieren in Griechenland, damit das Land irgendwann wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Bei der sogenannten „Rettungspolitik“ sind Fehler vorgekommen, die uns die Griechen auch zu Recht vorwerfen dürfen. Die Fehler entschuldigen aber nicht, sich vor Reformen in Griechenland zu drücken. […]
Welche Lösungen sehen Sie bezüglich des Konflikts in der Ukraine?
Vom Prinzip her wäre es ganz einfach. Herr Putin zieht seine Militärberater und seine Truppen aus der Ostukraine ab. Ohne die würden die Separatisten das nämlich nicht lange durchhalten. Dann müssten die Separatisten mit der Regierung in Kiew verhandeln, dass sie weitgehende Autonomie erhalten und das Kiew ihnen in der Ostukraine nicht so viel „hereinredet“. Kiew wäre mittlerweile auch dazu bereit; denn sie dort möchten keinen dauerhaften Krieg in ihrem Land. Natürlich gäbe es dann noch Probleme im Detail, aber im Prinzip liegt der Schlüssel sozusagen auf der russischen Seite. In dem Moment wo die Russen den Separatisten den Hahn von Geld, Waffen und Militärberatern zudrehen, müssten die Separatisten bereit sein, richtig und ordentlich mit der Ukraine zu verhandeln. Allerdings tut die russische Seite das nicht, und wir können sie auch nicht dazu zwingen. Wir machen schon Sanktionen und Herr Putin wird nicht mehr zum G8 Gipfel eingeladen, welcher damit zum G7 Gipfel wird. Aber ich mache mir momentan große Sorgen, da ich nicht sehe, dass Herr Putin bereit ist sich einen Zentimeter zu bewegen. […]
Ich danke Ihnen für das informative und freundliche Gespräch.
Das Interview führte Vanessa Heinemann, Praktikantin bei der Verwaltung
des Deutschen Bundestages, Referat ZT 4, Teilbereich Etagendienst
Die hier veröffentliche Fassung des Interviews wurde an einigen wenigen Stellen gekürzt