„Vieles wird jetzt von Lapid abhängen“

Dietmar Nietan mit Abgeordneten der Israelischen Schwesterpartei der SPD Awoda (Arbeitspartei)

Interview in den Dürener Nachrichten vom 15.03.2013
von Joachim Zinsen

Vier Fragen an Dietmar Nietan:
„Vieles wird jetzt von Lapid abhängen“

Herr Nietan, Sie waren vor wenigen Tagen zu politischen Gesprächen in Israel. Was erwarten Sie von der künftigen Regierung bezüglich neuer Friedensgespräche mit den Palästinensern?

Nietan: Zunächst keine wesentliche Änderung des bisherigen Kurses. Allerdings steht einem geschwächten Premier Benjamin Netanjahu jetzt der sehr populäre Jahir Lapid gegenüber. Er hat sich geschickt mit Naftali Bennett zusammen getan. Daraus kann im Laufe der Zeit durchaus eine neue Dynamik im Friedensprozess erwachsen.

Was macht Sie so optimistisch? Außer dem kleinsten Partner in der Koalition, also der Partei von Zipi Livni, hat sich bisher niemand aus dem Bündnis für Verhandlungen ausgesprochen. Bennett will sogar große Teile des besetzten Westjordanlandes annektieren.

Nietan: Auf der einen Seite hegt Netanjahu ein abgrundtiefes Misstrauen gegenüber den Palästinensern. Auf der anderen Seite möchte er seine möglicherweise letzte Amtszeit dafür nutzen, sich seinen Wunsch zu erfüllen, als historisch bedeutsamer Ministerpräsident in die Geschichte Israels einzugehen. Deshalb wird vieles davon abhängen, ob Lapid als neuer Hoffnungsträger der israelischen Politik sich einer mutigen Nahost-Friedenspolitik zuwenden wird. In den Reihen seiner Parlamentsfraktion sitzen durchaus Abgeordnete, die einen Politikwechsel wollen, wie zum Beispiel der ehemalige Geheimdienstchef Yaacov Peri, mit dem ich in Tel Aviv ein sehr beindruckendes Gespräch geführt habe.

Was erwarten Sie von den Palästinensern?

Nietan: Die palästinensische Autonomiebehörde sollte sich darüber im Klaren sein, dass sie jetzt ebenfalls Entgegenkommen zeigen muss, statt auf alles oder nichts zu setzen. Sie sollte ihrerseits konkrete Vorschläge unterbreiten, wie der Fahrplan zu einem Friedensschluss mit neuem Leben erfüllt werden kann.

Aber ihr Präsident Mahmud Abbas kann doch keinen Friedensgesprächen zustimmen, solange die Israelis mit ihrer Siedlungspolitik fortfahren. Er würde damit den permanenten Verstoß gegen das Völkerrecht akzeptieren und liefe Gefahr, dass ihm noch mehr Palästinenser die Gefolgschaft aufkündigen und zu radikalen Gruppen wie der Hamas überlaufen.

Nietan: Abbas ist in der gleichen Situation wie sein Gegenüber Netanjahu. Für beide bleibt nicht mehr viel Zeit, sich um den Frieden in Nahost verdient zu machen. Niemand verlangt von Abbas, dass er einen permanenten Verstoß gegen das Völkerrecht akzeptieren soll. Allerdings wird es ihm auch nicht helfen, sich mit dem Hinweis auf die israelische Siedlungspolitik Verhandlungen zu verweigern, die das Ziel haben, den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. Abbas muss jetzt die Kraft zu mutigen Schritten aufbringen – genauso wie Netanjahu.